Streckenflüge von Vitacura

Für ausländische Piloten ist es vorab schwierig, an geeignete Informationen über die Gegend zu kommen. In der Saison 2014/15 hatte ich das Glück, mehr als 160 Stunden mit einem Ventus-2cxM in Chile fliegen zu können. Dabei waren fünf Flüge über 1000 Kilometer. Die hierbei gemachten Erfahrungen möchte ich gerne teilen um es nachfolgenden Piloten etwas einfacher zu machen, die grandiose Andenwelt zu erfliegen. Die von mir vorgeschlagenen Routen und Hotspots habe ich alle diverse Male getestet. Natürlich gibt es noch zig andere Wege durchs Gebirge, aber ich konzetriere mich auf diejenigen, die ich solide weiter empfehlen kann.

Ich selber bin kein Bergspezialist. Meine Stunden habe ich überwiegend im brandenburgischen Flachland absolviert. Ein paar Südfrankreichaufenthalte waren vor Chile alles, was ich an Erfahrung im Gebirge vorweisen konnte. Daher will ich nicht das Bergfliegen im Allgemeinen beschreiben, da gibt es deutlich kompetentere Piloten und Pilotinnen. Aber meine Erfahrungen in Chile, gerade als Hochgebirgsneuling, helfen vielleicht anderen.


Ein großer Dank geht an André von Naviter, der mir die Verwendung der SeeYou-Vektorkarten gestattet hat!


Vektorkarte mit Hinweisen als PDF

Allgemeines

Ein paar Tipps
  • Ich bin fast ausschließlich thermisch und am Hang unterwegs gewesen. Wer ernsthaft Welle fliegen will, ist sicher in Südchile bzw. Südargentinien besser aufgehoben.
  • "Fahrt ist das halbe Leben" (und manchmal auch das Ganze). Die Anden sind an manchen Tagen unangenehm bockig. 30 km/h Fahrtverlust am Hang sind nichts Ungewöhnliches. Also SPEED!
  • Ich bin nie mit Wasser geflogen, da der Eigenstarter auch so schon recht schwer ist. Wasser wird aber regelmäßig von den einheimischen Piloten benutzt - ein Schlauch mit Wasseruhr steht am Start (Motorflughalle) zur Verfügung
  • Kondore trifft man täglich, vor allem im Höhenband unter 4000 NN. Die großen Geier sind kein Bussarde oder Adler. Träge wie sie sind, lassen sie sich im Notfall einfach fallen, indem sie die Flügel zusammenfalten. Von hinten/unten anschleichen ist daher maximal ungünstig
  • überhaupt weichen die Könige der Lüfte höchstens im letzten Moment aus - das ist ernst gemeint und sollte beachtet werden!
  • man sollte die Notfallrouten heraus aus dem hohen Relief eingehend an den ersten Tagen studieren (erfliegen). 1000 m Sicherheit auf einen Flugplatz heißt im ungünstigen Fall nämlich gar nix
  • nie tief (eigentlich überhaupt nicht) in argentinische Täler einfliegen. Wenn es gut läuft, ist das Flugzeug nach einer Landung in ARG nur ein paar Monate beschlagnahmt
  • wenn es schlecht läuft, gibt es nix zum Landen
  • es herrscht meist eine Westwindkomponente in der Höhe - man sollte die daraus folgenden Abwinde auf der Leeseite des Hauptkamms nicht unterschätzen (s. vorhergehender Punkt)

Abflugrouten

Drei mögliche Abflugrouten in Richtung Norden

Mögliche Abflggrouten nach Norden

1. Manquehue (Hausberg) - der Klassiker

Weg 1

Ein F-Schlepp bzw. kurzer Motorlauf bringt einen auf ca. 1500 mNN (Platzhöhe ist 700 mNN) an den Manquehue. Dies ist das übliche Vorgehen der Vereinsmitglieder.


Vorteile:

 * ohne Eigenstarter eine bezahlbare Startart

 * in den ersten Tagen sehr zu empfehlen, um sich in Ruhe die Flugplatzumgebung zu erarbeiten


Nachteile:

 * es geht am Manquehue erst spät los (gegen 13:30 lokal)

 * ein direkter Einstieg ins hohe Relief ist sehr mühsam

 * was die Schnittgeschwindigkeit in den ersten zwei Stunden angeht, ist dieser Weg klar benachteiligt

 * meist müht man sich an den Vorbergen die ersten 50 Kilometer nach Norden, bis an die Las Lagunas


Santiago liegt vormittags normalerweise unter einer dicken Inversionsschicht mit ziemlich kaltem Fuß. Die Sonne brennt zwar mit unbändiger Kraft, aber vor 13:00 lokal bleibt die Luft in der nächtlichen Schichtung und ist dadurch unbrauchbar. Nach dem Mittagessen, gegen 13:30, ist die richtige Zeit für den Manquehue, dann geht er sehr zuverlässig.

1700 mNN sollte man am Hausberg mindestens erreichen, um den Abflug nach Norden in Richtung Laboratorio zu wagen. Das bedeutet, mindestens Gipfelhöhe Manquehue, lieber 100 Meter mehr.

2. Espanoles - die goldene Mitte

Weg 2

Ohne Motor ein teurer Spaß. Mit Motor die perfekte Variante, wenn man nach 12:00 Uhr starten will. Meist gehen die Espanoles dann im Hang und man fliegt direkt nach dem Motoreinfahren non-stop 30 Kilometer nach Norden - ohne Kreis. Dabei spendieren einem die Espanoles an guten Tagen 800 Meter und man kann komfortabel das Haupttal bei Los Andes Richtung Norden kreuzen.


Vorteile:

 * wenn die Espanoles im Hangflug gehen, ist dies der mit Abstand schnellste und spaßigste Weg nach Norden

 * mein persönlicher Eindruck war, dass die Espanoles zuverlässiger schnell sind, als Variante 3


Nachteile:

 * wenn man ganz früh los will, ist man hier falsch

 * wenn man hier nicht weiter kommt, muss man an die deutlich tieferen Vorberge im Westen, was Zeit kostet


Dieser Weg führt fast immer über die Las Lagunas, den Democoen (Est) und die Animiter. Ich empfehle, diese Variante an den ersten Tagen ein/zwei Mal zu nehmen. Denn man lernt hier das halbhohe Gelände im Norden von Vitacura kennen, was abends sehr hilfreich ist. Manchmal ist die Sicht auf dem Heimflug ziemlich mies, da ist ein wenig Ortskenntnis sehr hilfreich.

3. Río San Francisco - für Frühaufsteher

Weg 3

Diese Variante habe ich für alle 1000er und 1100er gewählt. Wenn es hier gut und früh los geht, ist man nach 60 Minuten im ganz hohen Relief und aus allen störenden Inversionen heraus. Hier kann man so früh dran sein, dass noch die Osthänge nutzbar sind.
Wenn am Start (Boden) eine leichte aber konstante Brise ins Gebirge fühlbar ist, sind die Osthänge am Río San Francisco in aller Regel bereits aktiv


Vorteile:

 * Start schon ab 10:30 Uhr möglich (ab 11:00 ziemlich verlässlich)

 * die ersten drei Inversionen hat man nach dem Motorabstellen (in ca. 3000 mNN) schon geschafft ;-)

 * wenn diese Variante läuft, kommt man auf keinem (mir bekannten) Weg schneller ins ganz hohe Relief


Nachteile:

 * das Gelände steigt sehr schnell an. Der erste Pass (20 km im Norden, westl. der Mina Disputada) ist schon knapp 4000 mNN hoch

 * den muss man schaffen, dafür braucht es manchmal etwas Geduld an der recht ruppigen Gräte südwestlich der Disputada (am Reifenlager)

 * ganz selten (mir nur einmal passiert) ist man hier zu früh dran. Dann bleibt einem leider nur der Rückzug in die tote Talinversion. Kaffee trinken und nachtanken..

 * dieser Weg ist an manchen Tagen höllisch turbulent

 * man kämpft mit den Kondoren um die besten Plätze am Hang und die Locals sind nicht zimperlich (wie schon oben beschrieben)


Will man eine Geschwindigkeitwertung im OLC, sollte man auf die 15-Kilometer-Zone achten. Den Motor also rechtzeitig ausschalten und nicht bis über die Gräte (> 15 km) ratteln

Einstieg ins Hohe

Voraussetzung für diesen Weg ist eine minimale Abflughöhe westlich der Mina Disputada von 3900 mNN. Dazu muss Abflugvariante 3 geglückt sein. Dann direkt nach Norden auf die Kette südwestlich der Karibik (Bergabbausee). Nicht den optisch einladenderen Weg im Osten (hinter der Mine) wählen, da die Westhänge vor 12:00 Uhr noch sehr unzuverlässig (bis gar nicht) gehen. Dann über die Karibik das Tal kreuzen und weiter an eine der drei Gräten westlich bzw. östlich der Laguna del Inca. Ich bevorzuge die Östlichste, aber das ist Geschmacksache. Habe alle probiert und eigentlich gehen alle gut.
Wenn man sich etwas zu tief für den direkten Weg zur Laguna del Inca fühlt, nimmt man je nach Höhe die westlicheren Varianten zum Cerro de los Helados. Auf diesen sieht das Gelände nicht ganz so respekteinflößend aus, man ist aber auch etwas tiefer (und damit langsamer) unterwegs.


Von Abflugvariante 3 (Mina Disputada) zur Laguna del Inca. Ab dem ersten Pass sollte man von Vitacura auf Los Andes als Außenlandemöglichkeit switchen


Diese Phase ist in meinen Augen eine Schlüsselphase. Denn wenn hier der Einstieg ins hohe Relief an der Laguna del Inca bis 12:30 Uhr glückt, ist es ein sehr guter Tag. Dann hat man ca. sieben Stunden Zeit im hohen Relief und und die 1000 Kilometer sind zeitlich möglich. Trotzdem ist häufig Geduld angesagt auf diesem Stück. Ich bin auch einmal etwas forsch über die Karibik geflogen, dann nicht an die Inca-Hänge gekommen und musste an die Lagunas Richtung Los Andes aus dem Hohen raus gleiten. Und dort ist man dann um 12:00 einfach noch zu früh dran und wartet im Hangflug, bis die ersten Kondore auftauchen..

Rennstrecke

Die folgenden 30 Kilometer nach Norden sind ein Sahnestück und sollten mehrmals täglich mitgenommen werden. Der Hotspot im Norden ist einer der zuverlässigsten Hammerbärte dieser Gegend und ist ebenfalls der Einstieg zum Aconcaguamassiv.


Von der Laguna del Inca weiter Richtung Norden


In meinen Augen ist der Schlüssel für weite Flüge ein an die Anden angepasstes Geschwindigkeits-Management. Also möglichst wenig kurbeln und die tragenden Linien nutzen. Dabei genau darauf achten, immer in der Komforthöhe am nächsten Grat anzukommen, und die Geschwindigkeit auf dem Weg entsprechend zu justieren. Wenn man dann knapp über Grathöhe eintrifft und ohne einen einzigen Kreis weiter fliegen und erneut Höhe machen kann, ist man ziemlich nah am Optimum. Denn die Bärte sind nur ganz selten rund. Meist kostet Kurbeln daher nur Zeit, Schnitt und Nerven. Ziel war für mich irgendwann, kontinuierlich zwischen 130 und 160 km/h zu fliegen und einen Kurbelanteil kleiner 15% zu haben. 1100er Jojo mit 11% Kurbelanteil


© OLC, wie man an dem Barogramm gut sieht, fliege ich über weite Strecken IM oder KNAPP ÃœBER dem Relief. Nur an den wenigen Hotspots kurbel ich wirklich nachhaltig und versuche ansonsten alles im Hang oder über den Graten im mittleren Geschwindigkeitbereich abzuhandeln

Olivares

Das Olivares ist ein Hochgebirgs-Highlight. Es liegt im Osten von Santiago und kann unter den normalen Bedingungen nur von Norden oder Süden "betreten" werden. Im Norden gelingt der Einstieg vorbei an dem Riesen Juncal, über den Hotspot ins Hochtal des Parque Rio Olivares. Die Bergkulisse der 6000er ist hier phänomenal und sehr respekteinflößend.


Zwei Wege von der Laguna del Inca führen zum Hotspot im Norden des Olivares. Von hier kann man dann das Hochtal Richtung Südosten queren.


Ich habe selten auf dem Weg nach Süden im Olivares gekurbelt. Die Hänge laufen meist sehr gut. Auf dem Weg nach Norden sollte man allerdings mind. 5000 mNN haben, um das Olivares sicher am Juncal vorbei zu verlassen. Dieser wirft einem, bei Nordwindkomponente, ein recht übles Lee entgegen, welches es zu überwinden gilt. Daher nicht zu nahe am Juncal vorbei, eher fünf Kilometer nach Westen ausholen. In LIVE wird dann jeder einsehen, warum. Denn in 5000 mNN ist der Berg immer noch endlos viel höher als man selbst. Die schlimmsten Turbulenzen meiner Chilezeit hatte ich über dem Hochtal des Olivares in den Wirbeln des Juncal. Man sollte auf die Windrichtung achten und ab 330°+ auf Turbulenzen gefasst sein.

Die Mine Pelambres

185 Kilometer nördlich von Santiago liegt die Kupfermine Pelambres


Für meine großen JoJos habe ich Pelambres zwei Mal umrundet. Dabei ist es im günstigsten Fall möglich, sich maximale Höhe am Hotspot der Rennstrecke zu holen und dann in einem durch an die 50 Kilometer entfernten Berge südlich der Mina Pelambres zu gelangen. Bevor man die eigentliche Mine erreicht, kreuzt man ein sehr markantes Tal südöstlich vom Flugplatz Pelambres. Ziel ist, hier mit mind. 3900 mNN anzukommen. Dann kann man sich meist ohne Kreis in die Mine hangeln, immer an oder unter Hanghöhe, aber extrem verlässlich. Die Mine passiert man dann im Osten und überfliegt sie im nördlichen Bereich um zu einem sehr markanten Berg im Nordwesten der Mine (direkt an der Mine) zu gelangen. Dieser geht quasi immer und schenkt einem meist ein paar hundert Meter um weiter nach Norden zu fliegen.

Achtung bei Sprengungen in der Mine. Das passiert (analog zur Mina Disputada bei Santiago) ziemlich oft und geht mit einem lauten Knall und viel Staub einher. Wenn gerade gesprengt wird, würde ich das knappe einfliegen in die Mine vermeiden ;-)

Weitere Hinweise

  • Sauerstoff gibt es direkt am Flugplatz
  • AVGAS steht an der Flugplatztankstelle zur Verfügung
  • Die Temperaturen sind ab 4000 m meist unter null. Ich persönlich bin immer im Pullover und mit warmen Schuhüberziehern geflogen. Einige DG-Piloten sind aber auch im T-Shirt los.
  • Reisepass immer dabei haben, falls man doch mal nach Argentinien muss
  • Ein SPOT ist Pflicht
  • Die UV-Belastung ist in Santiago mörderisch. Schon am Boden meist ein Index um die 14, also extrem. Sonnenschutz ist also wirklich kein Spaß hier, sondern zwingend!
  • Ich empfehle ein kleines Notfall-Kit mit Wasser, Riegeln, Taschenlampe, Silberfolie etc. Man weiß ja nie... (manche haben sich wohl in ihren Fallschirm gewickelt, nach einer Notlandung)
  • Immer im Hinterkopf behalten, dass ein Motor in 3000m nicht mehr anspringt. Und viele Täler sind in dieser Höhe, also nicht zu sportlich ins Gelände gehen
  • Für mich war das Fliegen dort ein Traum!

Flugbericht - 1143 Kilometer Jojo

Ein paar persönliche Eindrück von meinem ersten 1100er. Mit ein paar Bildern und Geschichten.
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